TOMS Krimitreff

Autor Thema: Zoe Ferraris: Die letzte Sure  (Gelesen 3396 mal)

Offline MLena

  • hat schon die ersten Seiten eines Krimis geschafft
  • ***
  • Beiträge: 252
Zoe Ferraris: Die letzte Sure
« am: 24. Oktober 2009, 18:59:52 »
Als Nouf, die jüngste Tochter einer angesehenen Familie aus Dschidda, spurlos verschwindet, bittet ihr Bruder Othman seinen besten Freund, den Wüstenführer Nayir, um Hilfe. Das Mädchen wurde offensichtlich in einem Wadi umgebracht. Nayir, der lange unter Beduinen gelebt hat, versucht dem rätselhaften Verbrechen auf die Spur zu kommen. Dabei stößt er auf eine Mauer des Schweigens und an die Grenzen der Gesetze und Traditionen der arabischen Gesellschaft. Mehr noch: In der Begegnung mit der fortschrittlichen Pathologin Katya, die ihm bvei den Ermittlungen hilft, wird er sich der Enge seines Glaubens und seiner bisher verdrängten Sehnsüchte bewusst.

:10K

Ein absolut unblutiger Krimi mit vielen Beschreibungen der Lebensumstände in Saudi-Arabien bzw. Dschidda. Vieles wusste ich so nicht bzw. nur in ungesundem Halbwissen und mir hat die Art der Autorin gefallen, nicht zu polarisieren und polemisieren, sondern sie hat die Situation der Frauen - sagen wir mal - wertfrei beschrieben. Die Frauen sind bei ihr keine armen klagenden Existenzen, sondern arrangieren sich mit den "Gegebenheiten" bzw. versuchen mit ihren Möglichkeiten, auszubrechen - was eben Nouf (das Opfer) versucht hat und auch Katya (die Ermittlerin) in Grenzen tut. Auch die Darstellung der Männerwelt fand ich aufschlussreich - Männer sind ebenso den Zwängen ihrer Religion und den damit verbundenen geltenden Gesetzen unterworfen. Interessant war eine Szene im Buch, als Nayir einen Ort sucht, an dem er sich ablenken und nachdenken kann - da bleibt nur das Auto, denn Bars usw. gibt es nicht, sich einfach mit einer Frau treffen geht auch nicht - aber Benzin ist billig in SA und so fährt er halt durch die Stadt - stundenlang - wie viele andere Männer dort auch.

Zugegeben - dieser Krimi spielt im Milieu der Reichen und Schönen und da lassen sich Grenzen leichter übertreten als in der armen Bevölkerung, aber auch die wohlhabenden Damen sind in den Vorschriften der Religion gefangen. In einer Szene heißt es: Sie verlassen diesen Salon eigentlich nie .....  was letztendlich bedeutet, ihr Leben spielt sich in einem - zugegeben sehr großem - Wohnzimmer ab und das zusammenleben ist sehr eng.

Was ich auch nicht wusste, dass Männer als professionelle Begleiter (also Beschützer) für Frauen arbeiten und dass die Frauen von ihrer Familie eben solche Begleiter an die Seite gestellt bekommen.

Klasse gelungen ist der Autorin die Beschreibung und Zerrissenheit von Nayir, dem Wüstenführer (der mit den Ermittlungen beauftragt wurde) - wie er zunächst starr gefangen ist in seiner Erziehung und seinen Glaubensregeln, dann aber nach und nach "auftaut". Und  sie durch geschickt gewählt Szenen macht sie darauf aufmerksam, dass auch in SA Veränderungen stattfinden - sichDie Autorin beschreibt ebenfalls,  dass auch in SA Veränderungen stattfinden, sich die Frauen nicht mehr ausschließlich angepasst verhalten und das auch die - zumindest jüngeren - Männer dem aufgeschlossen gegenüber stehen. Ein gänzlich andere Darstellung des Lebens im islamischen Bereich als in diesen "Anklagebüchern" a la "Nicht ohne meine Tochter".

Ich fand diese andere Darstellung arabischen Lebens sehr aufschlussreich und erfrischend.Es gibt inzwischen einen 2. Band - leider nur als HC - aber ich fürchte, ich werde da schwach werden
Die klimatischen Bedingungen in der Hölle sind sicherlich unerfreulich, aber die Gesellschaft dort wäre von Interesse. Oscar Wilde.

Cornelia

  • Gast
Re:Zoe Ferraris: Die letzte Sure
« Antwort #1 am: 24. Oktober 2009, 20:24:25 »
Danke für deine ausführliche Rezi, MLena, ohne die ich mich wohl nie für das Buch interessiert hätte.  :top1
Wenn ein gutes Buch vorurteilsfrei das wahre Leben vermittelt ist das natürlich toll.

Ja, ich habe gerade gesehen, daß ihr zweites Buch "Totenverse" diesen Monat herausgekommen ist.
Pendo ist ein guter Verlag, die haben teilweise sehr empfehlenswerte Autoren unter Vertrag.