Nun ja, wie sagt man es am besten?
Sharon Boltons „Todesopfer“ ist sicherlich keine Offenbarung am Thrillerhimmel, aber auch kein Absturz ins Bodenlose, eher irgendwo dazwischen. Auf der einen Seite wählt sie mit den Shetland-Inseln einen Schauplatz, der schon von sich aus eine mystische Atmosphäre verbreitet (was eine Ann Cleeves auch und in meinen Augen etwas besser macht) und zum wohligen Gruseln einlädt, andererseits ist „Todesopfer“ ein Buch, das meiner subjektiven Meinung nach ca. 100 Seiten zu lang ist, sich also v.a. im Mittelteil unnötig lang und breit auslässt. Tora, Frauenärztin mit der Schwierigkeit, schwanger zu werden (was später noch wichtig werden wird!) und erst seit kurzem in der auf der Insel befindlichen Klinik angestellt, will in einem Anfall von Sentimentalität ein verstorbenes Pferd aus ihrem Stall auf dem eigenen Grundstück vergraben (wer kommt auf eine solche Idee? Es gibt doch bestimmt andere Möglichkeiten, die Protagonistin eine Leiche „finden zu lassen“!) und findet dabei die noch relativ frische Leiche einer jungen Frau, der das Herz fehlt. Zusammen mit der ebenfalls neu hinzugezogenen Polizistin Dana Tulloch sucht Tora nach der Wahrheit, einer Wahrheit, die besser nicht ans Licht kommen sollte, denn es sind Personen darin verwickelt, die keine Skrupel haben, ihr Geheimnis mit allen Mitteln zu schützen . . .
Gewiss ist die Geschichte nicht schlampig geschrieben, die Hauptfiguren sind in den meisten Fällen auch einigermaßen gut gezeichnet und man kann sich vorstellen, wie Tora als Neuling auf der Insel mit den alteingesessenen Seilschaften in der Klinik und in der Freizeit zu kämpfen hat, was aber in nicht unbeträchtlichem Maße an ihr selbst liegt. Auch der Plot ist gut gemacht, die dahinter stehende Thematik ist zwar nicht neu, aber akzeptabel erzählt (man kann ja nicht immer das Thrillerrad neu erfinden!).
Was mich an diesem Buch unbändig stört, ist der in meinen Augen aufgeblähte und unnötig mit Hindernissen überladene Schluss, den man ruhig hätte kürzen können. Mir kam beim Lesen der Eindruck, dass die Autorin immer noch ein Problem, eine schockierende Enthüllung mehr einbauen wollte. Klar, zum finalen Showdown soll es ja auch kommen, aber muss es so überfrachtet sein? Ich könnte mir gut vorstellen, dass „Todesopfer“ als Drehbuch im Kino gut funktionieren würde.
Abgesehen davon ist es eine nette Unterhaltung und da es ein Erstling ist, kann man es lesen und hat nicht Zeit verschwendet. Mal schauen, was der Nachfolger (der laut Interview mit der Autorin schon angefangen sein soll) bringt.